Wie könnte eine Psychologie der Utopie aussehen? Ich bin keine Psychologin – also habe ich einen Freund gefragt, der Psychologe ist. Eine komische Frage, fand er. Und er überlegte, aber es fiel ihm nichts ein.
Er spielte mit meiner Frage: „Welche psychischen Bedürfnissen werden durch das Entwickeln einer Utopie erfüllt?“
Ihm kam keine Erleuchtung und er fragte weiter: „Was könnte die Utopie der Psychologie sein?“ Er fand, er könne sich keine Psychologen in einer utopischen Welt vorstellen. Und er ging an dem Tag gegen Macron demonstrieren.
Ich finde diese Fragen sind vielversprechende Erweiterungen meiner Ausgangsfrage. Daher lasse ich sie mal so offen stehen.
Ich selbst hatte mir überlegt, welche Gefühle mit Utopien einhergehen – ein spontanes Brainstorming, das ich für mich „Psychologie der Utopie“ genannt habe. Hier ist meine erste unsortierte Sammlung:
- Hoffnung, wenn man durch eine Utopie eine Vorstellung bekommt, wie etwas besser werden könnte. (Ist Hoffnung ein Gefühl?)
- Wut oder Angst, wenn man sich bewusst wird, wie weit die Realität von der Utopie entfernt ist, wie weit und schwer der Weg zu einer besseren Gesellschaft wird und wie stark die Beharrungskräfte sind.
- Freude, über eine gute utopische Geschichten oder Bilder. Oder Freude darüber, dass man Ideen und Orientierung findet, wohin sich die Gesellschaft positiv entwickeln könnte.
- Enttäuschung, wenn einem klar wird, das vieles von den Utopien nicht sein wird.
- Schuldgefühle oder Scham? Vielleicht, wenn man sich seiner beharrenden Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft bewusst wird?
- Sich handlungsfähig fühlen, weil man eine Vorstellung bekommt, wohin man gehen könnte, was man unternehmen könnte.
- Oder sich ohnmächtig fühlen, wenn man sich bewusst wird, wie unmöglich der Weg zur Utopie ist.
- Gegenwärtiges in Frage zu stellen und zig Alternativen dazu zu durchdenken, kann auch die Unsicherheit verstärken. Gegebenes nicht mehr als unabänderlich zu sehen bringt Freiheiten – aber kann auch verunsichern.
- Klarheit, Sicherheit oder Zugehörigkeitsgefühl – wenn man sich seiner eigenen Wünsche, Werte und Bedürfnisse bewusst wird und Mitstreiter findet, die eine Utopie teilen.
- Einsamkeit – wenn man merkt, dass man mit manchen Wünschen und Werten oder gewagten Utopien alleine da steht.
- Traurigkeit – wenn einem bewusst wird, was alles nicht war, nicht ist und vielleicht nie sein wird, was einem wichtig gewesen wäre.
Welche Gefühle fallen euch noch ein, die durch Utopien und utopisches Denken ausgelöst werden können?